Erkrankungsrisiko für Kinder in geplanter Kita neben 110kV-Hochspannungsleitung?

Aus gegebenem Anlass anbei das Schreiben unserer Fraktion an alle Gemeinderatsmitglieder mit Datum vom 25.01.2022 zum Thema des geplanten Kindergartens im Schachen in Hülzweiler.

Unsere Empfehlung lautete aufgrund dieser Faktenlage den geplanten Standort im Schacherweg nicht weiter zu verfolgen und nach Alternativen zu suchen.


Liebe Ratsmitglieder,

aus aktuellem Anlass übersende ich Ihnen einige Informationen zu der Thematik Hochspannungsleitungen in der Nähe von Kinderbetreuungseinrichtungen.

Der wissenschaftliche Dienst des Bundstages sagt in seinem Sachstandsbericht WD 8 – 3000 – 011/19 Folgendes:

„Anders stellt sich die Situation in Bezug auf eine bestimmte, glücklicherweise seltene Leukämieerkrankung bei Kindern dar. Hier gibt es mehrere epidemiologische Studien, die darauf hinweisen, dass magnetische Flussdichten deutlich unterhalb der für Hochspannungsleitungen und Trafostationen festgelegten Grenzwerte das Erkrankungsrisiko bei Kindern erhöhen könnten. In den Studien wird eine Risikoerhöhung bei zeitlich gemittelten Flussdichten von ca. 0,3 – 0,4 Mikrotesla (μT) genannt.“

Auf den Seiten des Bundesamtes für Strahlenschutz sind folgende Aussagen zu finden:

„Die International Agency for Research on Cancer (IARC) stufte niederfrequente Felder bereits 2002 als möglicherweise krebserregend ein, beruhend u.a. auf zwei gepoolten Studien (Ahlbom et al., 2000; Greenland et al., 2000), die einen statistischen Zusammenhang zwischen Leukämie im Kindesalter und Magnetfeldern von über 0,3 bzw. 0,4 Mikrotesla (µT) aufzeigten. Auch in zwei später durchgeführten gepoolten Studien wurden konsistent erhöhte Leukämierisiken bei Kindern, die einer Magnetfeldexposition > 0,3 oder 0,4 µT ausgesetzt waren, festgestellt (Schüz et al., 2007; Kheifets et al., 2010).“

„In der Studie von von Kheifets et al. (2010) zeigte sich bei Betrachtung der Distanz zur Stromleitung ein 1,59-fach signifikant höheres Leukämierisiko für Kinder, die weniger als 50 m von der Stromleitung entfernt wohnten, im Vergleich zu Kindern, die mindestens 200 m von der Stromleitung entfernt wohnten, und das Risiko nahm mit abnehmender Distanz zu.“

„Die Beobachtung von Kheifets et al., (2010) eines generellen Anstiegs des Leukämierisikos mit abnehmender Distanz und eines signifikant erhöhten Risikos bei einem Abstand von höchstens 50 m zur nächstgelegenen Stromleitung bestätigt die Studie von Amoon et al. (2018) insgesamt nicht. Für akute lymphatische Leukämie und für Kinder, die bei Diagnose jünger als 5 Jahre waren, ist jedoch in dieser Studie das Risiko in der niedrigsten Distanzklasse erhöht. Der Grund für diese Erhöhung ist unklar.“

„Die Aussagekraft der Studie hinsichtlich des Zusammenhangs von Magnetfeldexposition und dem Leukämierisiko im Kindesalter ist stark dadurch eingeschränkt, dass primär nicht die Magnetfeldexposition selbst gemessen wurde, sondern nur der Abstand der Wohnung zur nächsten Stromleitung verwendet wurde.“

Das Bundesamt für Strahlenschutz kommt zu folgendem Schluss:

Da der Kenntnisstand zu umweltbedingten Risikofaktoren für Leukämien im Kindesalter insgesamt unbefriedigend ist, bemüht sich das BfS intensiv um die Erforschung der Ursachen für Leukämien im Kindesalter auch im Rahmen des Forschungsprogramms „Strahlenschutz beim Stromnetzausbau“.

In Hessen verlangt der Landesentwicklungsplan einen Mindestabstand von 400 Metern zu Höchstspannungsleitungen ab 200 kV:
https://www.wetterauer-zeitung.de/wetterau/friedberg-ort28695/plaene-kita-bauernheim-vorerst-gelegt-12162232.html

Baubiologen empfehlen als Faustformel einen Abstand von 1 Meter pro kV:
https://www.baubio-logisch.de/abstand-zu-hochspannungsleitungen/

Laut Ärzteblatt geht der französischen Gesundheitsbehörde Anses zufolge von Hochspannungsleitungen ein „mögliches“ Leukämierisiko für Kinder aus:
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/104067/Behoerde-sieht-in-Hochspannungsleitungen-moegliches-Leukaemierisiko-fuer-Kinder

Für eine umfassendere Literaturrecherche fehlt mir die Zeit. Für mich bleibt Folgendes hängen:

Ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Leukämieerkrankungen bei Kindern, insbesondere in der hier betroffenen Altersklasse, wurde in verschiedenen Studien festgestellt und lässt sich nicht zweifelsfrei entkräften. Die Feldstärkewerte, die hier angesprochen werden, liegen im Bereich von 0,3 µT. Die in der Beschlussvorlage beigefügte Stellungnahme der VSE-Netz zu der 110kV-Leitung geht von einem magnetischen Feld von < 10 µT und damit vom mehr als 30-fachen des kritischen Wertes aus. Messergebnisse liegen nicht vor. Der Abstand des geplanten Gebäudes wird mit 25 m angegeben und ist damit weit unterhalb des von Baubiologen empfohlenen Richtwertes.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass eine Gefährdung der Kinder durch die geplante Standortwahl nicht sicher ausgeschlossen werden kann.

Sollte ein Kind der Einrichtung aus welchen Gründen auch immer erkranken, müssten wir uns als Verantwortliche einer Diskussion stellen, die sicherlich jedes Ratsmitglied vermeiden möchte.